CDU-Verband Brüssel-Belgien asbl.

Zukunft der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

Rede von Burkhard Balz am 18. Juni 2013 bei der CDU Brüssel

Rede des niedersächsischen Europaabgeordneten Burkhard Balz, Stv. Koordinator der EVP im Ausschuss für Wirtschaft und Währung sowie Stv. Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, bei der CDU Brüssel am 18. Juni 2013.

 

Liebe Parteifreunde,

 

ich freue mich sehr, heute hier bei Euch sein zu können, um Euch Aktuelles über die Euro- und Staatsschuldenkrise zu berichten. Die Staatsschuldenkrise ist in der Tat im Moment eines der - wenn nicht DAS - große Thema der politischen Debatte.

Seit 2009 bin ich ordentliches Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung  (ECON) beim Europäischen Parlament. 

Ich habe dort die Position des Vize-Sprechers der konservativen Fraktion inne. 

Zur Zeit beschäftige ich mich eigentlich mit wenig anderem, als mit Maßnahmen zur Behebung dieser Finanzkrise. Vor einigen Wochen bin ich zudem Berichterstatter im ECON zum Thema Lettland und dessen Pläne zum Beitritt zur Eurozone geworden. 

 

Im ECON Ausschuss laufen die Informationen über den aktuellen Stand der Finanz- und Staatsschuldenkrise, über die Vorhaben für ihre Behebung und über die Visionen für ein künftiges Europa wie unter einem Brennglas zusammen.    

 

Lassen wir uns zunächst einen kurzen Blick zurück werfen, damit ich Ihnen danach einen positiven Ausblick geben kann: Im Herbst 2008 eskalierte mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA und dem darauf folgenden Zusammenbruch der US-amerikanischen Investment-Bank Lehman-Brothers die weltweite Finanzkrise. 

Wegen der globalen Vernetzung der Finanzmärkte blieb die Krise nicht auf die USA beschränkt, sondern griff auch auf Europa über. 

Banken drohten insolvent zu werden, Kredite wurden teuer. 

Damit erfasste die Krise auch die Realwirtschaft. Die BIP innerhalb und außerhalb des Eurogebietes schrumpften, die wirtschaftliche Tätigkeit ging weltweit zurück und die Haushaltsdefizite stiegen.

Sinkende Steuereinnahmen und krisenbedingt steigende Sozialausgaben führten zu einem dramatischen Anstieg der Verschuldung der öffentlichen Haushalte. 

Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft waren zwar notwenig, verschärften die Verschuldung jedoch weiter.

Die steigende Schuldenlast veranlasste die Regierungen in der gesamten EU, weitreichende Sparpakete zu beschließen. 

Diese Pakete waren erforderlich und in manchen Fällen sogar überfällig. 

Jedoch führten sie zu erheblichen Beschränkungen der Handlungsfähigkeit der Regierungen. 

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich demnach zu einer öffentlichen Schuldenkrise ausgeweitet. 

Die Bürger der jeweiligen Länder spüren die Folgen hart. 

 

Während die Schuldenkrise alle Länder betrifft, stehen die Länder in der Eurozone vor zusätzlichen Herausforderungen. 

Durch die gemeinsame Währung wurden makroökonomische Unterschiede zwischen den Euroländern schließlich lange Zeit verdeckt. 

Im Glauben an die Solidarität der Länder in der Eurozone untereinander ignorierten die Kreditgeber weitgehend die unterschiedlichen Risikostrukturen innerhalb der Eurozone. 

Es hieß: Eine Währung, ein Zins. 

Damit war ein fataler Anreiz zum Schuldenmachen für die Länder gesetzt, die vor dem Euro nur zu wesentlich höheren Zinsen Geld an den Kapitalmärkten aufnehmen konnten. 

 

Zudem konnten die Mitgliedstaaten die Kontrollmechanismen der Währungsunion außer Kraft setzen. 

Mit anderen Worten: Die mangelnde Integration der Finanz- und Wirtschaftspolitiken in der Währungsunion hat die unkontrollierte Entwicklung von erheblichen ökonomischen Ungleichgewichten zwischen den Euroländern möglich gemacht. 

 

Die Finanz- und Wirtschaftskrise war zwar der Auslöser für die Staatsschuldenkrise in der Eurozone, doch liegen die Wurzeln der Probleme nicht nur in Griechenland oder den anderen bedrohten Euroländern. Hinzu kamen strukturelle Probleme, vor allem die fehlenden Anreize zur Einhaltung der Stabilitätskriterien. Diese werden oft als "Geburtsfehler des Euro" umschrieben. 

 

Zu den somit nachträglich geschaffenen bzw. verschärften Durchsetzungsproblemen kamen die allgemein hohen Staatsschulden in allen EU-Ländern, gepaart mit spekulativen Finanzinstrumenten und Marktmechanismen und mangelnder Transparenz in den Märkten. 

All dies hat zur aktuellen Lage beigetragen. 

 

In den letzten drei Jahren haben wir zahlreiche regulatorische Lücken geschlossen und für mehr Sicherheit und Transparenz an den Finanzmärkten gesorgt.

 

Beim Ausbruch der Finanzkrise in Europa im Jahr 2008 gab es 27 unterschiedliche Bankenregulierungssysteme. 

Ein jedes dieser Systeme gründete sich auf einzelstaatliche Regeln und ein nationales Rettungsinstrumentarium.

Es bestand eine gewisse Form europäischer Koordinierung. Sie reichte jedoch nicht aus, um wirksam auf die Krise reagieren zu können und Ansteckungseffekte auszuschließen.

 

Daher haben wir mit der EBA an der Spitze eine neue europäische Finanzaufsichtsstruktur geschaffen, deren Behörden seit 2011 ihren Dienst aufgenommen haben.

Wir haben außerdem bestehende Regulierungen überarbeitet oder neues Recht geschaffen, wo dies nötig war.

Nun gibt es beispielsweise neue Vorschriften für Rating Agenturen, Hedgefonds, Leerverkäufe und Derivate.

 

Eines der zentralen Projekte - wenn nicht DAS zentrale Projekt der Regulierungsagenda - ist die Bankenunion. Diese soll auf drei Säulen aufgebaut werden, auf die ich näher eingehen möchte.

 

Die erste Säule umfasst die Bankenaufsicht. Mit der Abstimmung zur Reformierung der europäischen Bankenaufsicht am 22. Mai  haben wir ein wichtiges Signal an die Finanzmärkte gesendet. Die EZB wird nun insbesondere bei großen Banken die Federführung übernehmen. Es werden nicht nur die jeweils drei größten Kreditinstitute der teilnehmenden Mitgliedsstaaten in den Anwendungsbereich der neuen Aufsicht fallen, sondern auch Kreditinstitute mit einer Bilanzsumme von über 30 Milliarden Euro sowie Kreditinstitute, deren Bilanzsumme 20% der Wirtschaftsleistung eines Mitgliedsstaates ausmachen. 

 

Zudem, ist es uns gelungen, eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit und Koordination mit der EBA sicherzustellen, die für die Banken in denjenigen Mitgliedsstaaten zuständig bleibt, die sich der EZB-Aufsicht nicht anschließen. Klare, transparente und effiziente Regeln sind hier von Bedeutung. 

 

Auch wird der Zusammenarbeit der EZB und den nationalen Aufsehern eine entscheidende Rolle zukommen. Insbesondere bei der Aufsicht von kleinen und mittelgroßen Banken müssen ausgewogene und praktikable Lösungen gefunden werden, damit es eine effiziente, aber eben keine doppelte Berichterstattung gibt.

 

Die europäische Politik setzt viel Vertrauen in die Europäische Zentralbank. Es gibt jedoch das Sprichwort: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und ich will noch weiter gehen: Kontrolle ist absolut notwendig. 

 

In ihrer neuen Aufsichtsfunktion muss die EZB transparent agieren und Rechenschaft ablegen. Ein wesentliches Anliegen ist dabei auch, die saubere Trennung zwischen monetärer- und Aufsichtspolitik in der EZB sicherzustellen. 

Nur mit einer sauber praktizierten Trennung, nur über eine gute Zusammenarbeit mit nationalen Aufsehern und nur mit umfassender demokratischer Kontrolle verdient das Aufsichtsprojekt die Vorschusslorbeeren, die es nun erhält. 

 

Ich halte es vor diesem Hintergrund auch für sehr wichtig, dass der Bundestag und der Bundesrat in das Projekt EZB-Bankenaufsicht eingebunden sind. Als Europäisches Parlament werden wir das Votum aus Deutschland abwarten. Und auch die Zwischenzeit für interinstitutionelle Vereinbarungen mit der EZB nutzen. 

 

Klar ist aber auch: 

Alleine mit Veränderungen an den Aufsichtsstrukturen werden wir unsere Ziele – eine konsequente Verbesserung der Finanzmarktregulierung - nicht erreichen.

 

Die 2. Säule der Bankenunion umfasst die Abwicklung von Banken. Im Ausschuss für Wirtschaft und Währung haben wir am 20. Mai den Weg freigemacht für stringente, europäische Vorgaben bei der Abwicklung von Banken.

 

Wichtig ist, dass die Instrumente nicht in einer gemeinsamen Haftung enden - ein einzelner europäischer Abwicklungsfonds kann meiner Meinung nach keine Lösung sein. Die Bankensektoren der europäischen Mitgliedsstaaten unterscheiden sich teilweise erheblich. Und auch innerhalb eines Mitgliedsstaats kann es hinsichtlich des Risikos große Unterschiede zwischen einzelnen Banken geben. Ich bin erleichtert, dass in dem nun abgestimmten Berichtsentwurf verschiedenen Geschäftmodellen Rechnung getragen wird und auch nationale Besonderheiten berücksichtigt werden.

 

Zu begrüßen ist auch die Stufigkeit bei der Haftung. Primär und sekundär müssen die Eigentümer  und dann die Fremdkapitalgeber für die Risiken ihrer Banken einstehen. Das entspricht dem Verantwortungsprinzip. Der Steuerzahler darf erst auf der allerletzten Stufe stehen.

 

Mit dem angenommenen Berichtsentwurf zur Bankenabwicklung wird das Parlament gestärkt in die bevorstehenden Verhandlungen mit dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission gehen. Wann wir hier mit einem Ergebnis rechnen können, ist noch nicht abzusehen.

 

Das Thema der Einlagensicherung, die dritte Säule der Bankenunion, liegt mir als Schattenberichterstatter der EVP-Fraktion besonders am Herzen. Daher bin ich durchaus erleichtert, dass es den Mitgliedsstaaten verwehrt bleibt, Mittel der nationalen Einlagensicherungssysteme für Abwicklungszwecke zu verwenden.

 

Ich hoffe sehr, dass nun auch Bewegung in die Verhandlungen zur Einlagensicherung kommt. Wie schon erwähnt, ist ein gemeinsamer Abwicklungsrahmen ohne Bezüge auf die Einlagensicherung nicht machbar. Daher ist es nicht akzeptabel, dass der Rat uns bei diesem Dossier noch immer hinhält. Der Vorschlag der Kommission hierzu ist nun schon über zweieinhalb Jahre alt!

 

Dabei war der Text, den die Kommission im Sommer 2010 vorgelegt hatte, in Teilen durchaus in Ordnung. Das Ziel der Kommission war vor allem die Vereinfachung und Harmonisierung der bestehenden Systeme sowie besserer Einlegerschutz. Gegen Vereinfachung und Verbraucherschutz ist nichts einzuwenden. Doch was die Harmonisierung angeht, müssen wir aufpassen. Die de facto bestehenden Unterschiede in den nationalen Bankensektoren müssen in den Sicherungssystemen angemessen widergespiegelt werden. Wichtig ist mir, dass bewährte Elemente der bestehenden Systeme nicht ohne Not abgeschafft werden.

 

Der Vorschlag der Kommission hätte in der Praxis durchaus zu Problemen geführt. Der Bericht des Europäischen Parlaments adressiert daher die aus meiner Sicht größten Probleme. Die Kreditfazilität zwischen den Systemen ist nur noch auf freiwilliger Basis vorgesehen. Die Zielausstattung bleibt bei 1,5% der Einlagen - allerdings der gedeckten statt der erstattungsfähigen Einlagen. Und die Zielausstattung ist über 15 Jahre statt über 10 Jahre anzusammeln. Bei der Berechnung der Beiträge gilt der Kommissions-Vorschlag nur noch als Standardsatz - die einzelnen Systeme können auch eigene Modelle vorschlagen. Diese müssen jedoch gewisse Leitlinien der EBA erfüllen. Zudem wird im Bericht mehr Gewicht auf Präventiv- und Stützungsmaßnahmen gelegt. Der Einlagensicherungsfonds soll zwar primär zur Auszahlung der Einlagen genutzt werde, doch können die Mittel bis zu einer gewissen Grenze auch für vorherige Rettungsmaßnahmen genutzt werden. 

 

Dieser Ansatz ist meiner Meinung nach ausgewogen: einerseits wird die Sicherheit und der Schutz der Einleger erhöht, andererseits werden die Finanzinstitute nicht überfordert.

 

Bedauerlicherweise scheinen die Mitgliedsstaaten kein Interesse an mehr Einlegerschutz zu haben. Seit über einem Jahr blockieren sie jegliche Entscheidung. Monatelang wurden wir in den Verhandlungen mit dem Argument hingehalten, dass der Rat nicht über die Höhe der Einlagensicherung entscheiden könne, solange er die Höhe eines zu gründenden Abwicklungsfonds - wozu die Kommissionsvorschläge damals noch nicht vorlagen - nicht abschätzen könne. Daraufhin haben wir als Europäisches Parlament im Februar 2012 die Verhandlungen abgebrochen und unseren Text im Plenum abstimmen lassen. Natürlich sehen auch wir den Zusammenhang zwischen Abwicklung und Einlagensicherung. Doch erschien uns der Schutz der Sparer zu wichtig, als dass wir länger warten wollten.

 

Mit dem vor vier Wochen im Ausschuss angenommenen Berichtsentwurf zur Bankenabwicklung können sich die Mitgliedsstaaten nicht länger vor einer Entscheidung drücken. Vor dem Hintergrund, dass die Einlagensicherung eine der drei Säulen der Bankenunion bildet wird die Nichtbeschäftigung mit diesem Thema zusehends schwieriger zu begründen. Das Parlament ist jederzeit bereit die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Aber der Ball liegt klar im Spielfeld des Rates.

 

 

Abgesehen von der Bankenregulierung müssen wir auch, um zukünftige Krisen zu vermeiden, den Konstruktionsfehler des Euro beheben, und zwar: die fehlenden Elemente einer politischen Union im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion.

Die Währungsunion treibt jetzt die politische Union voran. 

Dabei liegt aber noch einiges an Arbeit vor uns allen. 

Natürlich ist die Konsolidierung in erster Linie Sache der Schuldner, also der Regierungen und Steuerzahler in den hoch verschuldeten Euro-Ländern. 

 

Für die Hausaufgaben der Krisenstaaten gilt allerdings: Man darf hier nicht den Fehler machen, die heutigen "Krisenstaaten" über einen Kamm zu scheren.

Die Situation in Griechenland unterscheidet sich maßgeblich von der in Irland oder auch Spanien. 

 

In Griechenland wurden jahrzehntelang Reformen versäumt und noch schlimmer: Um diese Reformen nun nachzuholen, fehlen sogar rudimentäre staatliche Strukturen. 

Wie kann man eine Grundsteuer einrichten und eintreiben, wenn ein Katasteramt fehlt? 

Gleichzeitig haben griechische Regierungen aller Couleur beinahe traditionell ihr politisches Überleben dadurch gesichert, den Beamtenapparat aufzublähen.

Effizientes Arbeiten ist in der Verwaltung inzwischen kaum mehr möglich.

Die Bemühungen der griechischen Regierung zeigen aber auch, dass die neue Regierung wirklich Ernst mit den Strukturreformen machen will. 

So hat Griechenland z.B. den Mindestlohn bereits von 751 Euro auf 586 Euro brutto herabgesetzt.

Ohne Frage: Griechenland arbeitet hart dafür, dass das hoch verschuldete Land weiterhin Unterstützung von den europäischen Partnern erhält. 

So hat das griechische Finanzministerium ein Bündel von Sparmaßnahmen im Umfang von etwa 17 Milliarden Euro ausgearbeitet, also mehr als die von der Troika geforderten 11,5 Mrd. Euro. 

Der Weg bleibt allerdings steinig. 

Immer wieder gibt es Streiks in Athen, der Widerstand gegen die Sparprogramme der Regierung wächst. 

Kurzum: Griechenland bleibt ein Wackelkandidat.

 

In Irland, Portugal oder auch in Spanien ist die Situation dagegen eine andere - hier waren klassische "Blasen" Auslöser für die aktuelle Misere. 

Entsprechend einfacher ist es für diese Länder, wieder aus der Krise hinauszukommen. 

Aber auch dort müssen erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. 

Auch hier zeigen die Reformen Wirkung. 

Sie haben es eventuell in den Medien verfolgt: Spanien und Irland hat es wiederholt geschafft, zu vernünftigen Zinsen Geld an den Kapitalmärkten aufzunehmen. 

Spanien hat bereits einen guten Teil seiner preislichen Wettbewerbsfähigkeit zurück gewonnen und gehört laut der Weltbank bei den Reformen seit 2009 zu den besten fünf EU-Ländern. 

Und Irland wurde vom IWF bescheinigt, dass es alle bis Ende Juni 2012 im Rahmen des Unterstützungspakets gesetzten Spar- und Reformziele im Finanzsektor - trotz beträchtlichen Gegenwinds durch die Eurokrise und verschlechterten globalen Wirtschaftsausblicks - erreicht habe. 

Portugal hat ebenfalls bei der Wettbewerbsfähigkeit aufgeholt. 

Künftig ist es den Unternehmen möglich, ohne Zustimmung der Gewerkschaften von den Tarifverträgen abzuweichen und die Löhne zu senken, wenn sie drei Quartale in Folge sinkende Umsätze oder Verluste vorweisen. 

Damit werden die Strukturen flexibler, und das Land kann seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit weiter zurück gewinnen.

 

All diese Beispiele zeigen, dass Reformforderungen und Konditionalität für Hilfen der richtige Weg sind.

Aber: Wenn’s um den Euro geht, sitzen wir alle in einem Boot. 

Deshalb kommen zu den notwendigen Hausaufgaben der Krisenländer auch die Unterstützungsmaßnahmen der anderen Euroländer hinzu.

Nur gemeinsam können wir das notwendige Vertrauen wiedererlangen, um die akute Krise zu überwinden – global wie innerhalb der Gemeinschaft, bei den Bürgern.

Aber die Kernfrage ist: Wie weit muss, wie weit darf die Solidarität der anderen Länder in Europa gehen? 

Wenn die Solidarität durch Rettungsschirme und EZB-Maßnahmen den Ländern wirklich hilft, die gewaltige Anpassungslast zu schultern, haben wir eine gute Balance erreicht.

Und die Länder wären dann auch in der Lage, ihre Schulden glaubwürdig zu bedienen. 

Wir hätten die akute Krise in den Griff bekommen.

 

 

 

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sowie die noch verfügbaren Mittel der Europäischen Finanzstabilisierungs- Faszilität (EFSF), helfen dabei, Brandmauern in der Eurozone zu errichten, um das Vertrauen der Investoren zurück zu gewinnen. 

Wichtig ist auch, dass der ESM in Verbindung mit der neuen Bankenaufsicht das Recht bekommen soll, notleidende Banken direkt zu rekapitalisieren. 

Die Empfänger der Finanzspritzen müssen im Gegenzug restrukturieren. 

Die Fortschritte werden künftig mit Sicherheit genauer überprüft. 

Ob es jemals dazu kommen wird, steht natürlich in den Sternen. Denn die Entscheidung müsste einstimmig fallen, d.h. jede Regierung kann sie blockieren. Sinnvoll ist zumindest der aktuelle Vorstoß von Bundesfinanzminister Schäuble, die Mittel für direkte Rekapitalisierungen zu begrenzen. Auch die Idee der Kommission, direkte Hilfe des ESM an Banken nur dann zu vergeben werden, wenn die Heimatstaaten die Banken ebenfalls unterstützen oder für mögliche Verluste des Fonds einstehen, halte ich für gut. 

 

Warnen kann ich nur vor der Versuchung, kurzfristige Hilfsmaßnahmen institutionell festzuschreiben. Das wäre langfristig keineswegs zielführend. 

 

Ich stimme Bundesfinanzminister Schäuble und Bundesbankpräsident Weidmann zu: Gemeinschaftliche Haftung – z.B. mit Hilfe von Eurobonds – ohne harte Stabilitätskontrolle bzw. Souveränitätsverzicht würde nur falsche (Stabilitäts-)Anreize setzen. 

Auch unbegrenzte Anleihekäufe durch die EZB können nur eine vorübergehende Lösung sein. 

Weitere Vergemeinschaftung der Schulden ist auf Dauer keine Option. 

 

Auch die Wünsche nach einer Abwertung des Euro, wie sie zuletzt im März der französische Industrieminister Montebourg geäußert hat, gehen meines Erachtens in die falsche Richtung. Eine Monetarisierung von Schulden ist für mich keine Option.

 

Ich glaube, dass die Euroländer aus der Krise gelernt haben und bereit sind, für die künftige Zusammenarbeit in der Europäischen Union die richtigen Schlüsse zu ziehen und gezogen haben: 

 

Jetzt ist die Zeit, um die fundamentalen Probleme der Eurozone anzugehen!

Es geht ganz essenziell um die institutionellen Aufgaben der Europäischen Währungsunion.

An der Vertiefung der Europäischen Integration führt kein Weg vorbei.

Der Konstruktionsfehler des Euro war, dass die politische Integration der Europäischen Union für eine gemeinsame Währung nicht ausreichte.

Eine gemeinsame Währung bei inzwischen 17 unterschiedlichen Wirtschafts- und Finanzpolitiken kann nicht funktionieren. 

Durch die Krise ist klar geworden, dass unsere Antwort nur eine gemeinsame Antwort sein kann.

Es gilt die europäische Integration weiter voran zu treiben – und zwar in den Punkten, auf die es ankommt auch mit neu hinzukommenden Euroländern wie beispielsweise Lettland! 

 

Deshalb begrüsse ich als Berichterstatter im ECON-Ausschuss auch den geplanten Beitritt von Lettland zur Eurozone zum 1.1.2014 ausdrücklich. Nicht nur hat Lettland den Beitritt verdient. Es ist ein Musterknabe und erfüllt die Aufnahmekriterien. Lettland hat sich mit ungeheurer Disziplin aus der Krise von 2008 innerhalb von 5 Jahren zur Euro- Reife herausgearbeitet. Das Rezept war ein entschlossener, harter und schmerzhafter Sparkurs. Der Schuldenstand steht heute bei 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist einer der besten Werte der EU.

Der bevorstehende Beitritt ist zugleich auch ein Zeichen dafür, dass sich die Finanzkrise langsam entspannt und dass der Euro-Beitritt weiter attraktiv bleibt. Wir haben weniger Anlass zu Pessimismus als noch vor einem Jahr und die Eurozone hat sich weiter stabilisiert. Lettland wird der zweite baltische Staat sein, der den Euro einführt. Der Euro wird Lettland sicherlich stabilisieren und aus diesem und den anderen oben genannten Gründen ist ein Beitritt zum Euro ausdrücklich zu begrüssen.  

 

 

Integrationsbedarf sehe ich vor allem bei der Weiterentwicklung der Strukturen einer Fiskalunion. 

Wesentliches Element einer solchen Fiskalunion sind harte Grenzen für Staatsverschuldung.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist wie erwähnt daran gescheitert. 

 

Das sogenannte Six-Pack und das noch in Verhandlung befindliche Two-Pack zur Reform und Stärkung des Paktes haben hier dringend notwendige Korrekturen vorgenommen.

Damit sind Gesetzgebungspakete zur wirtschaftspolitischen Steuerung gemeint, durch die übermäßige Schuldenanhäufung in einzelnen Mitgliedstaaten in Zukunft zu verhindern und somit weitere Rettungsaktionen vermieden werden sollen. 

 

Der verschärfte Stabilitäts- und Wachstumspakt, das sogenannte „Six-Pack“ ist bereits am 13. Dezember 2011 in Kraft getreten. Und auch bei der verstärkten Haushaltskontrolle im Eurogebiet („Two-Pack“) hat es in jüngster Zeit bedeutende Fortschritte gegeben und es ist zur Abstimmung gekommen. Hier hat sich das Europäische Parlament bewegt - und zwar in die richtige Richtung, wie ich finde. Es hat auf die Einbeziehung von kurzfristigen Euroanleihen („Eurobills“) und den Euroschuldentilgungsfonds verzichtet.

 

Der Fiskalpakt, den die Staats- und Regierungschefs im Dezember 2011 beschlossen haben, unterstreicht diese Bemühungen. Er ist am 1. Januar 2013 in Kraft getreten. Alle EU-Mitgliedsstaaten - mit Ausnahme von Großbritannien und Tschechien - verpflichten sich nochmals auf die Einhaltung des verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakts. In die nationalen Verfassungen soll das Ziel eines ausgeglichenen oder sogar positiven Haushaltssaldos aufgenommen werden.

Diese Schuldenbremsen sollen dann – übrigens ja auch in Deutschland! – das Risiko künftiger Schuldenkrisen senken.

Wichtiger noch: Es soll – im Gegensatz zum Manko des Stabilitäts- und Wachstumspaktes – quasi-automatische Konsequenzen haben, wenn gegen die Defizitgrenze von 3% verstoßen wird.

 

Positiv ist auch die Verbindung zum künftigen Eurostabilisierungsmechanismus ESM: So sollen die Mitgliedsstaaten nur dann Anspruch auf Hilfen aus dem ESM haben, wenn sie den Fiskalpakt ratifiziert und die Schuldenbremse installiert haben. 

 

Natürlich bedeutet auch der Fiskalpakt noch keine endgültige Lösung: Bei den EU-Gipfeln wurde klar, dass nicht alle 27 EU-Länder den Weg einer weiteren Integration mitgehen wollen. 

Es ist noch offen, ob der Fiskalpakt für die Teilnehmer rechtlich am Ende verbindlicher ist als der Stabilitäts- und Wachstumspakt.

Auch sieht der Fiskalpakt ähnliche Ausnahmen vor, wie sie schon beim Stabilitäts- und Wachstumspakt viel Interpretationsspielraum ließen.

 

Auch der EU-Gipfel im vergangenen Juni hat z. B. mit der Entscheidung zu einer gemeinsamen Bankenaufsicht für die Eurozone klar gezeigt: Die Euro-Staaten gehen jetzt gemeinsam voran. 

Die Staats- und Regierungschefs sprechen sich immer wieder für eine Weiterentwicklung der WWU aus, basierend auf einer vertieften Integration und mehr Solidarität in der Eurozone.

Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der Eigenkapitalvorschriften sollen abgeschlossen werden, der Finanzmarkt soll weiter integriert werden.

Die gemeinsame europäische Bankenaufsicht soll noch 2014 ihre Arbeit aufnehmen und das Dossier zur Einlagensicherung soll endlich abgeschlossen werden.

Genau das brauchen wir!

Denn nur wenn die Märkte und Investoren Entschlossenheit erkennen, werden sie ihre Skepsis aufgeben.

Insgesamt sollten wir uns aber auch klar werden, welche Strukturen und Institutionen wir in Europa langfristig brauchen.

Das heißt konkret: Wie weit wollen wir den Weg zur politischen Union noch ausbauen und gehen, sobald wir die Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten erst einmal sichergestellt haben?

Hier sind auch die europäischen Institutionen, insbesondere wir als Europäisches Parlament, gefordert.

Nicht nur in Deutschland wird die Legitimation der neuen Strukturen und ihrer Entscheidungen zunehmend kritisch gesehen. 

Denn auch wenn wir mehr Europa als Antwort auf die Krise brauchen - dieses Europa darf nicht seinen Rückhalt verlieren.

Kompetenzen sollten Nationalstaaten an Europa immer nur dann abtreten, wenn es auch wirklich notwendig ist! Insoweit hat Premierminister Cameron mit seiner Unterhausrede Ende Januar 2013 ja durchaus recht. Angesichts der Herausforderungen gilt es aber, konstruktiv vorzugehen. Europa braucht keine Zauderer, sondern Zupacker, wie es Bundespräsident Gauck vor ein paar Wochen so treffend formuliert hat.

 

Sicher ist: Europas Stärke ist seine Vielfalt.

Zu viel und zu schnelle Zentralisierung, ja überzogene Gleichmacherei, gefährdet nicht nur die Vielfalt durch den Wettbewerb der politischen Konzepte in Europa, sondern ganz generell deren Akzeptanz in der Bevölkerung.

Doch wird der Euro zukünftig nur Bestand haben, wenn wir den Weg der Integration entschlossen weitergehen. 

Im Zeitalter der Globalisierung ist es wichtig, dass die europäischen Staaten gemeinsam auftreten und der Euro fortbesteht. 

Denn die Alternative zum „Vereinten Europa“ ist seine Marginalisierung: Nur gemeinsam werden wir – die Eurozone, aber auch die Europäische Union insgesamt – politisch und wirtschaftlich mit dem Euro langfristig erfolgreich sein. 

Ich bin überzeugt, dass uns dies gelingen wird. 

 

 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!